Geschichten

für Paare

Geschichten für Paare als Einstieg in die Paartherapie

Beziehungsstörungen sind im Grunde externalisierte Konflikte mit dem „Nicht-Ich“.
Neben den Lebenspartnerschaften (hetero- / homosexuelle Lebensweise) berührt dies somit auch z.B. Konstellationen wie Mutter-Kind, Geschwister, Großeltern-Enkel, und außerhalb von Familienzusammenhängen auch Arbeitspartnerschaften und Freundschaften, Nachbarn etc.. Positive Kommunikation und Streitkultur sind ebenso Thema wie konstruktive Trennungen.

FÜNFZIG JAHRE HÖFLICHKEIT
Ein älteres Ehepaar feierte nach langen Ehejahren das Fest der Goldenen Hochzeit. Beim gemeinsamen Frühstück dachte die Frau:
„Seit fünfzig Jahren habe ich immer auf meinen Mann Rücksicht genommen und ihm immer das knusprige Oberteil des Brötchens gegeben. Heute will ich mir endlich diese Delikatesse gönnen.“
Sie schmierte sich das Oberteil des Brötchens und gab das andere Teil ihrem Mann. Entgegen ihrer Erwartung war dieser hocherfreut, küsste ihre Hand und sagte: „Mein Liebling, du bereitest mir die größte Freude des Tages. Über 50 Jahre habe ich das Brötchenunterteil nicht mehr gegessen, das ich vom Brötchen am allerliebsten mag. Ich dachte mir immer, du solltest es haben, weil es dir so gut schmeckt.“

Aus dem Buch: Der Kaufmann und der Papagei – von Dr. med. Nossrat Peseschkian

 

VOM GLÜCK, ZWEI FRAUEN ZU HABEN
Ein Scheich hatte das höchste irdische Glück: Er hatte zwei Frauen. Im Überschwang seiner Gefühle erstand er auf dem Basar zwei gleiche goldene Halsketten, die er nach glücklichen Stunden seinen Frauen schenkte, verbunden mit der Bitte, der anderen nichts davon zu sagen. Doch nicht jedes irdische Glück bleibt ungetrübt.
Eines Tages kamen seine Frauen, erregt durch Rivalität und Eifersucht, zu ihm und überstürzten ihn mit Fragen: „Sag uns doch, du prächtigster aller Männer, wen magst du von uns am meisten?“
„Meine Herzchen, ich liebe euch über alles“, wehrte der Scheich beschwichtigend ab.
„Nein, nein“, protestierten die Frauen: „Wir wollen von dir wissen, welcher von uns beiden du deine größere Liebe schenkst?“
„Aber, meine Angebeteten, warum wollt ihr Unfrieden. Ich habe euch beide ins Herz geschlossen.“
Damit gaben sich die Frauen nicht zufrieden. „Uns entkommst du nicht. Heraus mit der Sprache, wer von uns ist die Königin deines Herzens?“
Da er dem Drängen der Frauen nicht mehr nachgeben konnte, senkte der Scheich verheißungsvoll die Stimme und flüsterte: „Wenn ihr es unbedingt wissen wollt, sage ich euch die Wahrheit. Diejenige, der ich die goldene Kette schenkte, liebe ich am meisten.“
Beide Frauen schauten sich siegessicher an und waren zufrieden.

Aus dem Buch: Der Kaufmann und der Papagei – von Dr. med. Nossrat Peseschkian

 

Geschichten von Janosch

WAHRE LIEBE
Einst verliebte sich ein Frosch in eine Maus und auch die Maus fand an dem Frosch Gefallen und erwiderte seine Liebe. Beide hatten sehr verschiedene Arten zu leben und hatten sich viel zu erzählen. Des Abends, wenn sie zusammen saßen, erzählte der Frosch von seinem tiefen Teich und all den Dingen, die es darin zu sehen und zu finden gab. Er erzählte von den Fischen und dem alten Seehecht, der auf dem Grund des Teiches lebte und all den Gefahren, die er schon durchgestanden hatte. Die Maus liebte diese Geschichten und fand sie faszinierend und spannend. Sie konnte ihm einfach stundenlang zuhören. Sie erzählte ihrerseits davon, wie man gefräßigen Katzen entkommt, wie man Vorräte für den Winter zusammensammelt, und wie man tiefe Gänge in die Erde gräbt, und das es gut ist, immer einen zusätzlichen Gang zu graben, falls der Hauptgang einmal verschüttet ist, oder gerade ein bedrohlicher Feind davor wartet. Manchmal ist es einfach gut, wenn man durch einen Hinterausgang verschwinden kann. Wie sie so erzählten kam der Frosch auf den Gedanken, die Maus könne ihm einmal durch den Hinterausgang entschwinden, und da er sie doch so sehr liebte, begann er zunehmend unruhiger zu werden. Dies merkte die Maus und fragte den Frosch, was ihn beunruhige. Der Frosch mochte nicht so recht erklären, was ihn so unruhig machte und sprach schließlich: „Weißt Du, manchmal bekomme ich Angst, wir könnten uns verlieren, und ich liebe Dich doch so!“ „Ach diese Angst habe ich auch manchmal,“ sprach da die Maus, denn sie fürchtete, der Frosch könne ihr irgendwann entspringen und auf nimmer Wiedersehen in den tiefen Teich abtauchen. „Aber wir könnten doch unsere Hände zusammenbinden, dann könnten wir uns nie verlieren“ sprach der Frosch und der Maus war es nur recht, und so banden sie ihre Hände zusammen, die Maus die rechte und der Frosch die linke. Nun fühlten sie sich schon wesentlich sicherer, nur zusammen zu gehen machte nun einige Probleme. So wollte der Frosch oft hüpfen und hatte Schwierigkeiten mit den kleinen Schritten der Maus, die ihrerseits durch den unregelmäßigen Gang des Frosches immer wieder aus ihrem Rhythmus kam und ins Stolpern geriet. Auch konnte die Maus nicht mehr in ihre Gänge schlüpfen, denn der Frosch war zu ungelenk, um sich durch die schmalen Gänge zu zwängen und war es ihm doch einmal gelungen, so stieß er fortwährend mit seinem Kopf an, da er das Hüpfen einfach nicht lassen konnte. Die Maus hielt das Hüpfen für eine schlechte Angewohnheit und meinte, dass es dem Frosch schon gelingen könne, anständig zu laufen. Er müsse nur ernsthaft den Willen haben, das Hüpfen aufzugeben, denn wo ein Wille sei, da sei auch ein Weg. Und sie erzählte ihm, wie schwer es manchmal gewesen sei, sich durch harten Boden einen Gang zu graben und das man, wenn man nur will, mit den scharfen Mausezähnen, die härtesten Dinge durchknabbern kann, und der Frosch versprach es wirklich ernsthaft zu versuchen. „Ja,“ sprach die Maus, „es ist wirklich schwierig in der Liebe, doch wenn man sich wirklich liebt, arbeitet man aneinander und versucht dem anderen zu helfen, damit er sich weiterentwickeln und seine schlechten Eigenschaften abstreifen kann.“ Der Frosch wiederum versuchte die Maus zu überzeugen, dass es ein Genuss sei, mit einem hohen Bogen in den Teich zu springen und durch die tiefen Fluten hinab zum Grund zu tauchen, um dort in alte weggeworfene Lederstiefel zu schlüpfen und die Fische an sich vorbeischwimmen zu lassen, doch die Maus hatte Angst vor dem Wasser. Der Frosch aber war der Ansicht: Wenn man nur wirklich bereit sei, die Angst zu überwinden, würde es schon klappen, denn aller Anfang sei schwer. Doch die Maus war nicht bereit ihre Angst zu überwinden. Dies alles tat ihrer Liebe jedoch keinen Abbruch, und sie liebten sich weiterhin inniglich. Nach einer Weile sprach jedoch die Maus: „Weißt Du, ich kann Deine rechte Hand nicht sehen.“ Und in der Liebe sollte man sich doch alles sagen und ganz offen zueinander sein, und da sei es doch nicht in Ordnung, wenn man bestimmte Dinge voreinander versteckt. Der Frosch fand dies auch, denn in der Liebe möchte man an allem teilhaben und alles, alles wissen, was der andere tut, und so banden sie die anderen Hände auch noch zusammen. Das Gehen wurde natürlich noch beschwerlicher, aber wo wahre Liebe ist, erträgt man jegliche Unannehmlichkeiten, denn jede Schwierigkeit schmiedet einen nur fester zusammen.

Das Leben wurde ein wenig eintöniger, denn der Frosch konnte nicht mehr von seinen neuen Erlebnissen im See erzählen und die Maus wusste auch nichts Neues zu berichten, da sie nun alles zusammen machten. So erzählte der Frosch von früheren Zeiten, wo er noch im See umher geschwommen ist, doch nach einer Weile kannte die Maus alle Geschichten und wurde zunehmend ungehalten, wenn der Frosch schon wieder mit seinen alten Seeerlebnissen anfing. Doch auch die Maus konnte nur noch von Dingen berichten, die sie früher erlebt hatte, und meist kannte der Frosch die Geschichte schon und hörte gar nicht mehr richtig zu. „Nie hörst du mir zu, du beachtest mich überhaupt nicht mehr,“ beschwerte sich die Maus, denn wenn man sich wirklich liebt, schenkt man dem anderen alle Aufmerksamkeit.

„Ach,“ sprach der Frosch, „es liegt wohl daran, dass ich in der letzten Zeit so müde bin, es ist bestimmt das Wetter, es hat wirklich nichts mit Dir zu tun.“ Doch die Maus meinte: Wenn man jemanden wirklich liebt, hört man ihm auch zu, wenn man müde ist. Obwohl sie sich nichts mehr zu erzählen hatten, liebten sie sich immer noch und die Maus meinte, dass wahre Liebe ist, wenn man zusammen schweigen kann und sich Verliebte auch ohne Worte verstehen, und der Frosch fügte hinzu: Gerade ohne Worte, denn Reden ist Silber und Schweigen ist Gold. Doch bei aller Liebe und allem Bemühen wollte dem Frosch der gleichmäßige Gang nicht gelingen, und wer sich wirklich liebt, macht doch alles gemeinsam. Und da die Maus nicht aufhören wollte, das beständige Gehüpfe des Frosches zu bemängeln, – denn sie wollte nur das Beste für den Frosch – und er andererseits ihr es doch wirklich recht machen wollte, – denn wenn man jemanden liebt, möchte man dem anderen jeden Gefallen tun – kam der Frosch auf die Idee: „Wir könnten, doch auch eins unserer Beine zusammenbinden, dann können wir noch besser alles zusammen machen, und ist es in der Liebe nicht so, dass man alles gemeinsam tun will?“ Gesagt getan und wie der Frosch es im Geheimen vermutet hatte, hatte es nun mit dem Hüpfen ein Ende. Zwar kamen beide nun nur noch unter großen Mühen und sehr langsam voran, aber sie wussten nun, dass sie richtig zusammengehörten und was ist schöner in der Liebe, als zu wissen, dass man wirklich zusammen gehört.

„Lass uns das andere Bein auch noch zusammenbinden“ sprach da die Maus. „Meinst Du wirklich wir sollten das tun?“ fragte der Frosch, denn er war nicht mehr sicher, dass sie das Richtige taten. „Du liebst mich doch?“ fragte die Maus. „Ja, ja natürlich“ sagte der Frosch und sie banden die anderen Beine auch noch zusammen, und was ist schöner an der Liebe, als wenn man unzertrennlich ist.

Aber das war nicht gut, denn nun konnten sie sich gar nicht mehr bewegen. So verharrten sie starr und unbeweglich, und auch ihre heiße Liebe schien allmählich abzukühlen. Ja sie führten ein wahrhaft erbärmliches Leben, bis sie schließlich starben, und das war schon bald, denn als der eine starb, starb auch der andere.

„Ja, ja“ sagte der alte Waldbär, – und da hatte er verdammt recht.

ADLER UND HENNE
Einst sah eine Henne hoch über sich einen Adler. Sie bewunderte den großen mächtigen Vogel, wie scheinbar mühelos er seine Bahnen zog, und er erschien ihr wahrhaft als der Herrscher der Lüfte und als König unter allen Vögeln. Sehnsuchtsvoll schaute sie zu ihm hinauf. Und war es ihr auch nicht möglich, selbst einmal so elegant durch die Luft zu schweben, so träumte sie doch, sich mit ihm zu verbinden, so dass sie ein wenig von seinem Glanz abbekäme und sie in seinem Licht zu leuchten begänne. Ja sie entflammte in Liebe zu diesem schönen Vogel und versuchte, ihn auf sich aufmerksam zu machen.

Dem Adler waren die Bemühungen der Henne nicht entgangen, und so schwebte er langsam hinab, um sich zu ihr zu gesellen. Die Henne begann sogleich die Kraft und Stärke des Adlers zu rühmen und umwarb ihn mit allerlei Reden über seine erstaunlichen Fähigkeiten und seine Schönheit. Dies schmeichelte dem Adler, und da er es mochte, von anderen bewundert zu werden, war er einer Verbindung nicht abgeneigt.
Allein die Henne machte zur Bedingung, dass sie gemeinsam ihr Leben auf dem Hühnerhof verbringen müssten, und der Adler war einverstanden. Die Hühnergesellschaft auf dem Hofe war sehr beeindruckt von der Kraft und Stärke des neuen Vogels. Staunte wie er sich mit starken Schwingen in die Lüfte hob, um von hoch oben wie ein Pfeil herab zu schießen. Allein es war der Hühnerschar unheimlich, wenn der Adler etwas tat, was gänzlich außerhalb ihrer Fähigkeiten lag, und so baten sie ihn, sich von nun an auch auf dem Boden zu bewegen. Dies sei des Hofes Sitte und ein Zeichen von Treue zu seiner Gemahlin.
Es machte dem Adler nun Schuldgefühle, wenn er Lust bekam, sich in die Lüfte zu schwingen, und so beschloss er sein weiteres Leben auf dem Boden zu verbringen. Dort machte er keine gute Figur, ja er hüpfte eher unbeholfen herum und wurde allmählich zum Gespött des ganzen Hühnerhofes. Seine Gemahlin wurde unzufrieden, denn der Glanz seiner Erscheinung schien mehr und mehr zu verblassen, anstatt auf sie überzufließen. Indem er sich das Fliegen verbat, begann er zudem fett zu werden und wurde zu einem plumpen Vogel, der von einem Bein aufs andere wankte.
Bald wusste die Henne nicht mehr, was sie so faszinierend an ihm gefunden hatte, und begann ihn heftig zu kritisieren. Er solle sich endlich richtig benehmen, und überhaupt wie er aussehe, war ihre Rede. In der Hoffnung es ihr recht zu machen, ließ er sich den Schnabel schneiden und die Federn stutzen, doch statt besser wurde es nur schlimmer. Schließlich schalt sie ihn einen Waschlappen und einen Trottel und sagte, er sei eine bedauernswerte Erscheinung und es sei eine Qual zu sehen, was aus ihm geworden wäre. So dauerte es nicht lange, bis sie ihn verließ.
Enttäuscht und gekränkt wollte er nun von dannen fliegen, doch sein Gewicht und seinen gestutzten Flügel hinderten ihn, sich in die Luft zu heben. Es dauerte lange, bis seine Flügel wieder gewachsen waren, und er brauchte noch länger, um zu seinen Kräften zurückzufinden.
Jetzt fliegt er wieder und dankt dem Tag, an dem ihn seine Henne verlassen hat.

DER FROSCH UND DIE TIGERENTE

Einmal sagte der Frosch zu der Tigerente:
„Ach bitte, darf ich dich ein wenig küssen?“ Die Tigerente antwortete nicht, denn sie war ja aus Holz.
Da rutschte der Frosch näher zu ihr und stieß sie dabei mit der Pfote an. So daß sie mit einem Rad quietschte: „Rühiiit …“
„JA!!“ rief der Frosch.
„Oh, sie hat JA gesagt“, und er fing sofort an, sie ein wenig zu küssen. Nach Art der Frösche: ziemlich heftig. Die Tigerente ließ ihn gewähren (denn sie war ja aus Holz), so dass er meinte, sie habe sich in ihn verliebt, und darum fragte er sofort weiter, ob sie denn seine Frau werden wollte. Dabei ließ er sie los, sie rollte ein bisschen, und das Holz knarzte: „Rrrrrr … harr.“
„FREILICH! Oh, sie hat FREILICH JA gesagt“, jubilierte der Frosch, nahm sie sofort bei der Schnur und fuhr sie heim. Heim in das Reich seines Vaters, der unten im Teich ein König war. Die Tigerente folgte ihm, sie musste ohnehin dorthin gehen, wo die Schnur sie hinzog. Denn sie war ja aus Holz.
Wenn es bergauf ging, trug der Frosch die Tigerente auf seinen Händen. Nach Art der alten Kavaliere, denn sie war eine Dame. Für den Frosch.
Oben zeigte er ringsum, soweit sein Finger reichte, und quakte:
„Alles das da, was du hier nicht sehen kannst, denn es befindet sich unter dem Wasser, gehört dir und mir, denn es gehört meinem Vater. Dort werden wir wohnen, und wir passen auch gut zusammen, denn ich bin ein Wassertier und du bist ein Wassertier.“
Als es bergab ging, quakte der Frosch:
„Bergauf habe ich dich getragen, bergab kannst du mich tragen, denn wir sind schon so gut wie Mann und Frau. Einmal ich dich und einmal du mich, getragen.“
„Kannst du schwimmen?“ fragte der Frosch.
„Na klar kannst du schwimmen, du bist ja aus Holz.“ Und er zog seine Unterwassertracht an
… und schipp!! ging es mit einem gewagten Sprung in die Tiefe. Heimwärts. Beide zusammen.
„Du kannst wohl nicht so gut tauchen, was?“ quakte der Frosch. Denn die Tigerente zog ihn nach oben. Holz zieht unter Wasser immer nach oben. Und er band sich die Schnur fester um das Handgelenk.
„Ein Fahrrad. Kannst du es sehen?“ sagte der Frosch.
„Damit fuhr ich neun Jahre in die Schule. War alles unnötiger Quatsch dort. Hab nichts dazugelernt.“
„Vaters Buick, amerikanisches Modell. Kaum gefahren, Vater kann gar nicht Auto fahren …
Vater hat 13 Autos. Alles unnötiger Mist. Was braucht ein Frosch ein Auto, weißt du …
Da hinten: Vaters Schloss! Kannst du es sehen … voller Glimmer, Flimmer und schimmelig gepolstert …“
Er hatte die Tigerente im Schwitzkastengriff untergehakt, den Kopf unter dem Arm, denn je tiefer Holz unter Wasser kommt, um so mehr zieht es nach oben.
Als sie in Vaters Schloss kamen, breitete der Frosch die Arme aus, um seinen Vater zu begrüßen
… dabei hat er wohl die Tigerente losgelassen, und sie entschwand nach oben. Holz bleibt nicht unter Wasser. Holz schwimmt lieber oben. Der Frosch sofort hinterher. Ein starker Wind trieb sie ans Ufer, der Frosch konnte kaum folgen.
Und als er sie aus dem Wasser zog, quietschten und knarzten die Räder, und der Frosch vermeinte zu verstehen, sie habe gesagt, sie liebe ihn wohl, würde aber lieber hier oben in einem kleinen Zimmerchen mit ihm wohnen …
„O ja“, quakte der Frosch,
„o ja, das möchte ich auch.“ Und er mietete im Entendorf, genau neben der Tauchstation, so ein kleines Zimmerchen, denn das war Zeit seines Lebens schon immer sein Traum gewesen: mit einer Dame an einem freundlichen Gewässer in einem Zimmerchen mit rosa bemalten Wänden wohnen und nichts arbeiten müssen.
Und gleich daneben die Tauchstation. Und so lebten sie ziemlich lange und glücklich zusammen …
… was den Frosch betraf.

BLAUES PFERD UND SCHWARZER RABE – Das Karussell

In unserem Dorf stand einmal ein kleines, wackliges Karussell. Ein alter Mann hielt es in Gang. Früher hatte er es noch in Ordnung gehalten, jetzt war er alt und sorgte nur noch dafür, dass es lief. Er deckte jeden Tag die Plane ab, kassierte das Geld, spielte Leierkasten, und die Fahrt ging los. Kinder kamen und gingen, machten ihre Fahrt, und wem es gelang, umsonst zu fahren, der freute sich. Und das geschah oft, denn der Alte versah sein Geschäft nicht mehr mit der Genauigkeit von früher, er sah nicht mehr gut. Abends deckte er das Karussell wieder zu, und für die Tiere aus Holz begann die Nacht. Aufdecken, zudecken, aufdecken, zudecken, im Kreise laufen, der Leierkasten spielt – immer dasselbe! Manchmal wurden die Zahnräder geölt, damit es nicht stehen blieb.
Auf dem Karussell gab es verschiedene Tiere aus Holz. Einen Elefanten, einen Raben, einen Hasen mit beweglichen Ohren, noch irgendwelche andere und ein blaues Pferd mit goldenen Haaren und Bernsteinaugen. Jeden Tag liefen sie denselben Weg; um sie drehte sich die Welt, und sie glaubten, sie kämen weit herum. Aber so war es nicht, denn sie waren ja angeschraubt. Da geschah eines Tages etwas Wunderbares. Die Sonne versank gerade hinter den Dächern und schien mit den letzten Strahlen durch das Gestänge. Das Licht fiel genau in das Bernsteinauge des Pferdes und leuchtete auf einmal wie hundert Feuer. Es blitzte hinüber auf die andere Seite des Karussells, berührte das schwarze Rabenauge, kam gleich wieder zurück, und das Pferd spürte mit einem Mal etwas, ich kann nicht sagen, was – wollte sich aufbäumen vor Freude, hingaloppieren zu seinem Rabenfreund. Es ging nicht, die Schrauben knarrten nur in dem Holz.
Dem Raben ging es genauso. Er wollte hochfliegen, wollte zu Pferd, jetzt, sofort! Die Schrauben hielten ganz fest. Als die nächste Fahrt begann, eilte er sich, lief hinterher, holte das Pferd aber nicht ein, denn es lief genauso schnell hinter ihm her – und sie erreichten sich nicht. Nur wenn sie wieder an die gleiche Stelle kamen, wo die Sonne durch das Gestänge schien, blitzte es für einen Augenblick auf.
Dann kam der Abend. Der alte Mann deckte das Karussell wieder zu, und für die beiden wurde es Nacht. Aber nicht so finster wie früher, denn sie konnten auf den nächsten Tag warten und auf diese Sekunden mit dem verzauberten Licht. So ging das eine ganze Weile. Wenn es regnete, hatten sie einen Trauertag. Wenn die Sonne schien, war es ein Glückstag. Der Mann merkte nichts davon. Für ihn war nur wichtig, dass das Karussell nicht stehen blieb, dass bezahlt wurde und basta!
Der schönste Tag für die beiden Freunde war, als einmal ein kleines Mädchen auf dem Raben ritt. Es hatte dann noch Geld für eine zweite Fahrt und kam durch Zufall zu dem Pferd und brachte die Berührung mit.
Eines Tages wurde die Plane nicht mehr abgedeckt. Es blieb finster. Vielleicht war der alte Mann krank geworden, oder ein Zahnrad war ausgefallen. Am Tag danach blieb es aber auch dunkel. Danach auch und schließlich für immer. Für die beiden war das eine schlimme Zeit. Das Dach verfiel, und der Regen kam durch. Im Winter schneite es herunter und das Holz wurde morsch. Holzwürmer fraßen sich durch. Der alte Mann war gestorben.
Eines Tages kamen Männer und zerstörten das Karussell. Die Stangen wurden zerhackt und die Bretter übereinander gelegt, die Zahnräder verkauft. Sie schraubten die Tiere los und legt sie zusammen. Da geschah es, dass der Rabe direkt neben dem blauen Pferd mit den goldenen Haaren zu liegen kam. Sie wurden nicht mehr getrennt. Die Männer zündeten ein Feuer unter ihnen an, und als es flackerte, kam das verzauberte Licht wieder. Es glimmte in ihren Augen wie damals und war ganz warm. Es blieb auch nicht nur für eine Sekunde. Viel länger! Es blieb, bis das Feuer verlosch.

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